Und da müssen wir alle erst einmal innehalten, bei so einer Frage.
Wie meint der das jetzt? Denn so, wie dieses Wort in den letzten Jahrzehnten verunglimpft, abgestempelt, weggeschoben und vollkommen seiner Wortbedeutung entraubt wurde, dürfen wir es eigentlich gar nicht verwenden, ohne nicht ganz besonders kritisch beäugt zu werden.
Esoteriker sind halt verrückte Leute, richtig? Das ist hängen geblieben in unseren Köpfen.
Im Sinne dieser von Cicero getroffenen, nicht auf Aristoteles selbst zurückgehenden Einteilung des Schrifttums werden noch heute in der Altertumswissenschaft die „exoterischen“ von den „esoterischen“ Schriften des Aristoteles unterschieden. Die „esoterischen“ Schriften enthalten keine Geheimlehren, sondern nur Darlegungen, deren Verständnis philosophische Vorbildung voraussetzt.
Wikipedia, deutsch
„Philosophische Vorbildung“, was könnte damit wohl gemeint sein? Zu Ciceros Zeiten ging es gerade so richtig los mit der Verfolgung von Andersgläubigen. Die Religionskriege haben nie aufgehört. Jetzt gibt es sie nur noch in unseren Köpfen, doch sie stecken noch in uns, wie ein verschmutzer Keim in unserer guten Saat.
Auch heute noch werden Menschen für ihren Glauben an etwas anderes als die offiziell mitgeteilte Version geistig verfolgt und geistig verbrannt.
Das durch unsere großen geistigen Vorväter gegründete Wort der Esoterik wird jetzt für eine aktive Ausgrenzung von Andersgläubigen in eine radikale Ecke genutzt. Das geht oft gleich Hand in Hand zusammen mit Rechtsradikalen und anderen (vermeintlichen?) Halunken.
Welche Wörter dürfen wir noch benutzen, wir, die ein bisschen über den Tellerrand der allgemeinen und sowieso immer jahrzehntelang hinterherhinkenden wissenschaftlichen Beweisbarkeit hinausblicken und bereits wahrnehmen, dass es da noch viel mehr gibt als nur das, was in der Schule gelehrt wird?
Spirituell. Bin ich ein Spiritueller? Dürfen wir dieses Wort noch benutzen? Oder wird es uns auch noch madig gemacht?
Warum sollte ich nicht an die Existenz von Chakren glauben, wenn ich sie a) in vielerlei Form in uralten Schriften der großen Weisen unserer Menschheitsgeschichte immer wieder und wieder beschrieben finde, unter vielen Namen und teilweise in anderen Denksystemen, aber doch irgendwie alle sehr ähnlich?
Und b), wenn sich diese Unterteilung unserer inneren Kundalinisäule in logische Abschnitte sinnvoll für mich anfühlt, weil ich so beschreiben kann, was ich empfinde, wenn ich zum Beispiel energetische Übungen mache, die offensichtlich zur Reinigung und Harmonisierung dieser inneren Energiezentren beitragen können?
Vor allem mein Herzchakra kann ich ganz deutlich in mir spüren, wenn ich mir einige Momente lang vorstelle, wie ich durch dieses feinstoffliche innere Herzzentrum „atme“. Dann spüre ich etwas in mir, sofort…
Ich würde es als ein liebevolles und behagliches und ausdehnendes Gefühl beschreiben. Insofern passt für mich die Umschreibung der Charakteristiken des Herzchakras ganz gut. Was für mich passend ist, wird zu meiner Lebenserfahrung. Schritt für Schritt lerne ich, auch die anderen Chakren besser wahrzunehmen.
Wenn ich an so etwas wie Chakren glaube, dann gibt’s den Stempel „Esoteriker“. Denn damit glaube ich ja an etwas, das weder im offiziellen Erziehungssystem, noch im aktuell zugelassenen Gesellschaftssystem im Einklang erscheint, obwohl die Lehren über uns selbst und über die Art unseres Seins, und auch unserer inneren Entwicklungsmöglichkeiten eigentlich etwas ist, was längst zur Allgemeinbildung gehören müsste.
Das uralte Erklärmodell mit den Chakren ist aufgrund der Unmessbarkeit (oder der Nichtanerkennungmöglichkeit-einer-Messbarkeit) weiterhin ganz weit im Abseits der Unfehlbarkeit dieser Definition der Wissenschaft, der neuerdings alle folgen.
Es herrscht immer noch Religionskrieg, genauso wie früher. Jetzt vor allem in unseren Köpfen.
Bekommen wir das denn nicht hin, dass wir unterschiedliche Sichtweisen und Darlegungen und beschreibende Formen für das, was wir erleben, einfach als eine mögliche Perspektive wahrnehmen, egal, ob es zu unserer eigenen Sichtweise passt oder nicht?
Brauchen wir denn diese innere Abwehrhaltung und Abgrenzung gegenüber Menschen, die andere Perspektiven erfahren und beschreiben, ist das notwendig für unser bestes Er- und Überleben?
Oder ist es nicht vielleicht auch okay, wenn es Menschen gibt, die eine vollkommen andere Perspektive von dem haben, was ihnen früher einmal beigebracht wurde? Es liegt ja nur an dem, was wir in unserem Leben erfahren und erlebt haben, danach richtet sich auch unser Glaubenssystem.
Dieses Glaubenssystem ist sehr flexibel, es lässt sich beliebig in seiner Größe ausdehnen und auch wieder zusammenziehen, ganz wie wir es möchten. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob diejenigen, die nur an die materielle Messbarkeit der Dinge glauben, die gleiche Flexibilität und Dehnbarkeit erleben können.
Wir entscheiden selbst, welchen Glauben wir haben und welchen inneren Werten wir folgen, die zu unseren Lebenserfahrungen gerade am besten passen, die unserem persönlichen Wachstum am dienlichsten sind.
Wie wir das dann benennen möchten, ob esoterisch, spirituell oder einfach anders-als-früher-gelernt, ist vielleicht gar nicht so wichtig.